16 Tage gegen Gewalt an Frauen* – 2018: Man up – Sei ein Mann

Auch dieses Jahr durfte Aktivistin.ch im Rahmen der Veranstaltungsreihe «16 Tage gegen Gewalt an Frauen*» in der Photobastei mit verschiedenen Menschen diskutieren.

Anders als letztes Jahr fand keine Podiumsdiskussion, sondern eine Gesprächsrunde statt. Menschen, die sich intensiv mit Geschlechterrollen und im Besonderen mit Männlichkeit(en) auseinandergesetzt haben, wurden von den Aktivistinnen* eingeladen.

Es diskutierten am 7. Dezember 2018:

– Chri Hübscher, non-binär und politisch aktiv:
 http://www.nonbinary.ch/chri/

– Domenica Priore, Trans*frau, Co-Präsidentin der Lesbenorganisation Schweiz und Teil von Aktivistin.ch

– Weitere wunderbare Menschen, die ihren Weg in die Photobastei gefunden haben.

Moderiert wurde die Diskussion von Anna-Béatrice Schmalz, Sozialarbeiterin*, Teil von Aktivistin.ch. Zum Mitreden waren alle Gäst*innen eingeladen.

Eröffnet wird die Diskussion von Chri: Chri erzählt, dass Chri männlich sozialisiert wurde, jedoch nie etwas mit der männlichen Geschlechterrolle anfangen konnte. Chri unterstreicht, dass wir alle letzten Endes Menschen seien, wobei es biologische Unterschiede gebe, die jeweiligen Geschlechterrollen jedoch ein soziales Konstrukt seien. In unserer Gesellschaft sei insbesondere die Minderbewertung von Weiblichkeit sehr erschreckend.

Die Frage um das Warum für die Assoziierung von Männlichkeit mit Aggressivität steht als nächstes im Raum: Sind es, wie viele von uns im Biologie-Unterricht gelernt haben, die Hormone, die Männer* gewalttätig werden lässt? Chri kann dies aus persönlicher Erfahrung nicht bestätigen. Vielmehr sei es der Ausdruck von Aggressivität in Form von Gewalt anerzogen: Oftmals werden Männer* beim Zeigen von Schwäche und Emotionen dazu aufgefordert, sich zu wehren. Männer* müssten stark sein, es kommt zu einer positiven Ermutigung zum Ausdruck von Aggressionen in Form von Gewalt durch unsere Gesellschaft. Helene, Chemie Doktorandin* aus dem Publikum erläutert, dass in der Naturwissenschaft – wie zum Beispiel der Biologie – oftmals sogenannte „hard facts“ gefordert werden. Diese kann die Sozialwissenschaft nicht liefern. Biochemisch lassen sich Hormone allerdings im Körper nachweisen: Männer* weisen im Vergleich zu Frauen* meist mehr Testosteron in ihren Körpern auf und neigen vermehrt zu körperlicher Gewalt. Daraus wird in der Biologie geschlossen, dass Männer* aufgrund des höheren Testosteronspiegels zu physischer Gewalt neigen. Allerdings könnte es sein, dass Testosteron und Gewalt keine Kausalität aufweisen: Genauso wäre es möglich, dass die Sozialisierung von Männern* dazu führt, dass sie vermehrt zur physischen Gewalt neigen. Das Testosteron dient als scheinbar gut messbare, wissenschaftlich Erklärung für dieses Phänomen. Im weiteren Verlauf der Diskussion wird erläutert, dass in der Vergangenheit anstelle der Hormone die göttliche Ordnung zur Zementierung von Rollenbildern diente. Die Begründung für die traditionellen Rollenbilder sind also eine Art Modeerscheinung: Vielleicht ist das Hormonargument in 100 Jahren bereits passé. Auch der Blick in die Vergangenheit ist vom Patriarchat geprägt und wird als Instrument zum Unterstreichen der traditionellen Rollenbildern benutzt: Nicht alle Frauen* in der Steinzeit waren Sammlerinnen* und nicht alle Männer* waren Jäger*, gibt eine Expertin* aus dem Publikum Auskunft. Allerdings sind meist biologische Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Körpern vorhanden, etwa die Möglichkeit von manchen Frauen*, Kinder zu gebären. Dies soll uns jedoch nicht davon abhalten, traditionelle Rollenbilder zu durchbrechen. So sind wir heute bereits auf einem guten Weg: ehemals typische Männer*- bzw. Frauen*berufe werden auch von Menschen ausgeübt, die nicht den ehemals für diesen Beruf angedachten Geschlechtern zugehörig sind. Aufbrechen von Rollenbildern müssen bereits im Kindesalter stattfinden: Paula, Erzieherin* erzählt von einem Mädchen, das sich sehnlichst einen kleinen Bruder wünscht, da es dann von seinen Eltern endlich Legos zum Spielen erhält. Oder von einem Jungen, dessen Vater Angst hat, dass sein Sohn schwul wird, weil er gerne mit Puppen spielt. Ganz abgesehen davon, dass kein Mensch sich vor dem Homosexuellsein oder -werden fürchten sollte, sind es genau diese Mechanismen, die dazu führen, dass Männer* zu physischer Gewalt neigen, öfters Suizid begehen, weniger oft Teilzeit-Stellen besetzen und eine niedrigere Lebenserwartung haben als Frauen*. Frauen* dagegen seltener in MINT-Berufen arbeiten, weniger Geld verdienen, öfters von Altersarmut betroffen sind und mehr Pflegearbeit (Care Arbeit) – bezahlt oder unbezahlt – ausüben. 

Wir alle sind Vorbilder und sollten jungen, unvorbelasteten Menschen ermöglichen, ihre eigenen Präferenzen und Stärken kennenzulernen, ohne sie anhand ihres biologischen Geschlechts zu schubladisieren.

Dafür steht Feminismus: Feminismus ist für alle Menschen da, Feminismus soll Männer*, Frauen* und alle Menschen dazwischen oder jenseits dieser Grenzen ansprechen. Feminismus will Grenzen einreissen. Männer* sind genau so Teil dieser Revolution wie Frauen*. 

Feminismus ist also als Kampf für die Gleichberechtigung von Menschen zu verstehen.

Aus diesem Grund: Männer* dieser Welt vereinigt euch! Kämpft Schulter an Schulter mit Frauen* und allen Menschen für ein gleichberechtigtes, faires Leben.

Diese Botschaft tragen wir gerne aus der vergangenen Gesprächsrunde im Rahmen der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen* in unseren Herzen in die Welt hinaus.

Zu guter Letzt wurden die Teilnehmenden der Gesprächsrunde mit den eigenen, traditionellen Geschlechterrollen-Vorstellungen konfrontiert: Tallboy, ein sensationeller Dragking aus Vancouver gab eine atemberaubende Lip-Sync Showeinlage zum Besten. Er zeigte, dass Geschlecht nicht durch das Aussehen oder Verhalten definiert wird und dass Grenzen zwischen weiblich und männlich fliessend sein können. 

Und auch dieses Jahr wieder einen riesengrossen Dank an die Photobastei: http://www.photobastei.ch/