Ob Haare oder keine, entscheiden wir alleine!

So hätte ich mich als Jugendliche nicht aus dem Haus getraut, dabei sind meine Haare echt nicht so gut zum Entfernen geeignet. Beim Rasieren ist zuerst alles mit roten Beulchen übersät und am nächsten Tag tauchen schon wieder überall «peinliche» Haaransätze auf. Bei anderen Methoden bekomme ich entweder Schreikrämpfe und / oder meine Haut ist dann zwei Tage lang gerötet nur um direkt danach wieder voller Haaranstätze zu sein.
Haarentfernung war also echt nie mein Hobby und auch nie ein besonderes Erfolgserlebnis.Trotzdem werd ich sie morgen wieder abrasieren: nicht weil sie mir noch sonderlich peinlich wären, aber ich schwitze extrem viel. Dass ich meine alltäglichen Wege mit dem Fahrrad bestreite ist der Situation natürlich nur bedingt zuträglich. Keine oder nur wenig Haare zu haben, war für mich bisher die beste Lösung damit umzugehen. Darum werden meine Achselhaare vorerst wohl nie ihre volle Pracht erreichen.

 Ich habe heute ein Date. In der Badi. Deswegen habe ich mir heute Morgen die Achseln, die Bikini-Zone (OMG dieses Wort, das impliziert ja schon, dass wir unsere Körper einem Kleidungsstück anpassen – immerhin ist es besser als «Schambereich») und die Beine rasiert.
Ich mache oft und viel Sport, deswegen trage ich im Sommer regelmässig Shorts. Und ich habe einfach wirklich keine Lust, bei 30°C+ lange Hosen zu tragen. Leider wachsen meine Körperhaare extrem schnell, in grosser Anzahl und sind dunkel und dick. Darum ists mir unangenehm, wenn ich meine Beine unrasiert in der Öffentlichkeit zeige oder unrasiert schwimmen gehe.
Früher habe ich mir eingeredet, dass ich mich für mich selber rasiere. Weil sich die glatte Haut gut anfühlt. Inzwischen bin ich mir aber sicher, dass ich mich nur rasiere, um mich «gesellschaftsfähig» zu fühlen.
Letzten Endes geht es aber genau darum: Eine Wahl zu haben, ob ich mich rasiere oder nicht. Ohne gesellschaftlichen Druck, einem bestimmten Bild zu entsprechen. Kämpfen wir dafür, dass alle Menschen die Wahl haben, wie sie sich in der Öffentlichkeit zeigen!

Ich bin gestern zum ersten Mal mit langen Beinhaaren im Kleid rausgegangen und siehe da – es hat niemanden gejuckt und ich habe mich so kraftvoll und bei mir selbst gefühlt.

ich wünsch mir me akzeptanz für feminini körperbehaarig ide gsellschaft, vo mim ex fründ han ich mer ständig müesse bösi sprüch zu mine körperbehaarig alose:’so grusig, wänn rasiersch dich wider usw.
und vo de mitmänsche ide stadt wird mer au sehr idringlich agafft als frau mit haar, isch ja bi de männer au nöd so…
i mim alltag mit de chinde han ich usegfunde, dass die meischte dänkäd nur manne händ vill körperbehaarig, ab und zue fregeds wieso häsch du so haar wie en ma, ich klär sie dänn gern uf.. villicht sött mer me haar-toleranz ide schuel unterrichte/lerne.
naja, nach eim jahr mit allne haar han ich jetzt mal wider es paar haar entfernt, aber scho sehr gli sind d haar wider da 🙂

Mich macht es wütend, dass Beinhaare bei Menschen, die als Männer wahrgenommen werden, normal sind und bei als Frauen gelesenen Personen ekelhaft und ungepflegt.
Als Jugendliche hatte ich mega lange das Gefühl, dass mit meinem Körper etwas nicht stimmt. Ich habe geglaubt, dass ich die einzige Frau mit starker Beinbehaarung bin und mich dafür geschämt.
Ich rasiere mich nicht mehr, weil ich mich weigere, absurden Schönheitsidealen zu entsprechen.

Körperhaare – ein paar Haare, viel Reaktion

Es war ein lauer Spätsommerabend, sanftes Licht, Apéro-Leichtigkeit. Stolz führte ich einer Freundin meine Achselhaare vor. Ich hatte sie ein paar Wochen lang wachsen gelassen, das erste Mal seit fast 20 Jahren. Statt meine Freude über dieses Experiment zu teilen, sagte sie: „Wäh, das ist ja richtig gruusig.“ 

Meine Freundin fragte sich offenbar keine Sekunde, ob es in Ordnung sei, einen Teil meines Körpers derart abzuwerten. Sie hielt ihre Aussage für absolut angebracht. Gleichzeitig wehrte ich mich nicht gegen diese Anmassung, die unserer Freundschaft zuwiderlief. Ich fragte sie nicht, was ihr eigentlich einfalle, ich würde mir ja auch niemals ein Urteil über ihre Tattoos erlauben. Stattdessen schämte ich mich und senkte den Arm, um die Umwelt nicht weiter mit diesem Ärgernis zu behelligen.  

Unsere beiden Reaktionen sind nur möglich, weil meine Freundin als Vertreterin eines höheren Gesetzes auftrat: Frauen* sollen keine Achselhaare tragen, das ist unhygienisch, ungepflegt und unweiblich.  

Das Hinterhältige an der Norm des haarlosen Frauen*körpers besteht darin, dass nicht nur Männer* sie durchzusetzen versuchen, sondern auch Frauen* selber. Denn diese Schönheitsnorm ist in unser Fühlen und in unser Selbstverständnis eingewachsen. Schon als pubertierendes Mädchen bekam ich das Rasur-Diktat zu spüren. Statt dass ich mich über den beginnenden Haarwuchs auf Beinen, an der Vulva und unter den Achseln freute – ein Zeichen, dass es nun endlich vorwärts geht mit dem Erwachsenwerden – schämte ich mich für die Haare, die unter der Kleidung hervorlugten. Ich erinnerte mich nämlich genau, wie wir Mädchen uns über eine Lehrerin lustig gemacht hatten, die sich ihre Beine nicht rasierte.  

Selbst wenn ich das Gebot der Haarlosigkeit mittlerweile längst durchschaut als sexistisches Konstrukt habe, gerate ich manchmal immer noch in seinen Bann. Im Moment, als meine Freundin meine Achselhaare als eklig abstempelte, fand ein Teil von mir: Sie hat ja Recht. 

Doch warum nimmt dieser gesellschaftliche Druck beim Thema Körperbehaarung nicht wirklich ab? Zwar sehen wir immer mehr Bekenntnisse haarigen Körperstellen. Doch es braucht weiterhin noch Mut, zu dieser Natürlichkeit zu stehen. Und wenn wir einmal getraut haben, die Haare auch bei warmen Temperaturen stehen zu lassen, warum lassen wir uns von negativen Aussagen immer noch so beeinflussen? Und warum trifft die Norm der Haarlosigkeit immer noch vor allem Frauen*? Warum geniessen Männer*, wenn es um die eigene Behaarung geht, einen deutlich grösseren Toleranzbereich?  
 
Es gibt viele Gründe sich die Haare wegzumachen und es gibt genauso viele Gründe, sie spriessen zu lassen. Unsere Entscheidung sich zu rasieren oder nicht, macht uns nicht zu besseren oder schlechteren Feminist*innen. Hören wir auf, über die persönliche Entscheidung anderer Frauen*, inter, nicht-binären und trans Menschen zu urteilen, besonders wenn es um den eigenen Körper geht. Die Feindseligkeit, die die Gesellschaft unseren Körpern gegenüber hat, sollten wir nicht fortführen.  
 
Wie geht es euch mit dem Thema Körperbehaarung? Schickt uns eure Gedanken, Erfahrungen und Fotos dazu. Wir posten jeden Donnerstag etwas zu diesem Thema. 

*steht für das gesellschaftlich konstruierte Geschlecht. Der Text ist in binären Geschlechterkategorien geschrieben, weil auch unsere Gesellschaft zu diesem Thema sehr binär denkt. 

NEIN zum antifeministischen Verhüllungsverbot

Die Initiative für ein Verhüllungsverbot ist NICHT feministisch! 

Die Initiant*innen des Egerkinger Komitees geben vor, mit ihrer Verhüllungsinitiative die muslimischen Frauen vor dem Zwang zur Verhüllung und Unterwerfung zu befreien. Sie brüsten sich damit, sich für Freiheit und Selbstbestimmung der betroffenen Frauen einzusetzen.

Aber ACHTUNG, wenn rechte Politiker*innen vorgeben, sich für weibliche Selbstbestimmung und Frauenrechte einzusetzen, dürfen wir ihnen nicht glauben! 

Screenshot Webseite www.donnefemmesfrauen.ch

Gewiss gibt es weltweit Frauen, die gezwungen werden, die Burka / den Niqab zu tragen. Wir finden es allerdings problematisch, die Vollverschleierung auf Zwang zu reduzieren. Das hinter der Initiative stehende patriarchale Frauenbild ist entlarvend. Es sieht die zu befreienden muslimischen Frauen als hilflose, ungebildete und rückständige Geschöpfe, die sich ihren Männern unterwerfen. Der Islamwissenschaftler Andreas Tunger-Zanetti und sein Team zeichnet für die ca. 20 bis 37 Nikab-Trägerinnen in der Schweiz ein anderes Bild. Nikab-Trägerinnen in der Schweiz sind «mehrheitlich in Westeuropa aufgewachsen, gut ausgebildet und durchaus fähig und willens für sich selber zu sprechen.» (vgl. https://unser-recht.ch/wp-content/uploads/2020/12/2020-12-30-Tunger-Zanetti-Gastbeitrag-Unser-Recht.pdf). Die französische Soziologin Agnès de Féo, die sich seit vielen Jahren wissenschaftlich mit dem Phänomen der Vollverschleierung befasst, hat herausgefunden, dass erst die politisch angestossene gesellschaftliche Debatte zur Vollverschleierung im Jahr 2009 die Zahl der Nikab-Trägerinnen in Frankreich erheblich erhöht hat. Aufgrund der Debatte und des daraus resultierende Verbots haben sich junge Frauen erst dafür entschieden, die Vollverschleierung zu tragen. Es handle sich dabei auch «um junge Rebellinnen, die offen sagten: weil er verboten ist, muss ich ihn tragen. Weil das Symbol geächtet wird, muss ich mich dazu bekennen» (vgl. https://www.republik.ch/2021/02/16/der-nikab-ist-nicht-das-zeichen-der-unterwerfung-sondern-eine-revolte).  

Sicherlich kann die Vollverschleierung als patriarchale Verfügungsmacht über den weiblichen Körper gesehen werden. Aber genau das tut auch das Verschleierungsverbot: es will in unserer Verfassung festschreiben, welche Kleider ein Frauenkörper nicht tragen darf. Einmal mehr wird der Frauenkörper dazu genutzt, Politik zu machen und die eigenen Interessen und Ansichten durchzusetzen. Damit wird das Patriarchat aber nicht bekämpft, sondern festgeschrieben. Agnès de Feo kritisiert, dass nicht die Männer in die Verantwortung genommen werden: «Warum verbietet man nicht diese Bartrasur oder die entsprechenden Kleidungs­stücke für die Männer, wenn man findet, die Symbole des Salafismus seien so unerträglich, dass sie im öffentlichen Raum nicht auftauchen dürfen?» Schon immer wurde und wird der Körper der Frau politisch missbraucht. Egal ob es um Mutterschaft, Abtreibung oder Kleidung geht. Konservative Politiker*innen mit rückständigen Wertvorstellung wollen über Frauen und ihre Körper bestimmen. Wir wehren uns dagegen und stimmen NEIN am 07. März!  

Das Frauen*komitee gegen die Burka-Initiative sammelt Statements zum NEIN. Mach auch mit: www.donnefemmesfrauen.ch

Aktion zu 50 Jahren Frauenstimm- und Wahlrecht

Im Gemeinderat der Stadt Zürich sitzen nur knapp 33 % Frauen. Das ist viel zu wenig und muss sich ändern! Um darauf aufmerksam zu machen, haben wir heute (50 Jahre nach der Einführung des Frauenstimm- und wahlrechts) diese Zahl vor dem Zürcher Rathaus aufgestellt.

Damit sich das bald ändert, braucht es:
– mehr Frauen und Menschen mit vielfältigen, queeren Geschlechtsidentitäten, die sich in den Parteien engagieren,
– bessere und inklusivere Bedingungen für politische Arbeit
– konsequente Massnahmen gegen Parteien, die einer feministischen Politik im Wege stehen.

Wir wollen nicht nur wählen, wir wollen auch gewählt werden und Entscheidungen treffen!

50 Jahre Frauenstimm- und Wahlrecht

Das Stimm- und Wahlrecht der Frauen wurde am 7. Februar vor 50 Jahren in der Schweiz eingeführt. Das scheint auf den ersten Blick lange, doch mahlen die Mühlen der Demokratie sehr langsam. Selbst nach der historischen “Frauenwahl” 2019 sitzen in Schweizer Gemeinde-, Stadt-, Kantonsräten sowie im National- und Ständerat vorwiegend (alte, weisse) Männer. Unter den grössten Städten in der Schweiz ist nur in Bern die Mehrheit der gewählten Personen im Stadtrat/Gemeinderat (Legislative) weiblich, in den restlichen Grossstädten ist nur ca. jede dritte Parlamentarier*in eine Frau (siehe Abbildung). (Zudem sind die Statistiken binär. Menschen mit vielfältigen Geschlechtsidentitäten werden unsichtbar gemacht.)

Das ist nicht nur ein optisches Problem. Eine Grundidee der Demokratie wird durch die Unterrepräsentation von verschiedenen Bevölkerungsgruppen verletzt. Neben Frauen betrifft dies vor allem auch Menschen mit queeren Geschlechtsidentitäten, Migrant*innen, junge und arme Menschen. Momentan spiegelt die Legislative die Bevölkerung nicht wider, und verpasst es dadurch oft, die Interessen von benachteiligten Gruppen ausreichend zu berücksichtigen. 

50 Jahre nach der Erlangung des Wahlrechts ist es unserer Meinung nach an der Zeit auch gleiche Repräsentation von Männern, Frauen und Menschen mit vielfältigen Geschlechtsidentitäten zu erreichen. Dafür braucht es mehr Frauen und Menschen mit vielfältigen, queeren Geschlechtsidentitäten, die sich in den Parteien engagieren, bessere und inklusivere Bedingungen für politische Arbeit und konsequente Massnahmen gegen Parteien, die einer feministischen Politik im Wege stehen.

Wir wollen nicht nur wählen, wir wollen auch gewählt werden und Entscheidungen treffen! 

Wenn du dich aktiv beteiligen willst, poste bis am 7.2 den Frauenanteil in deinem Gemeinde-, Stadt- oder Kantonsrat auf den sozialen Medien. Markiere uns, damit wir deinen Beitrag teilen/reposten können.

Du kannst hierzu gerne unsere Vorlagen verwenden und für deine Gemeinde/deinen Kanton anpassen!
Zahlen zu den unterschiedlichen Legislativen findest du hier:

Feminismus in der Corona-Krise

Wir sind wütend!
Selbstverständlich ist Gesundheit zentral, auch wir sehen einer ungewissen Zukunft entgegen und sind beunruhigt.
Aber Krisen könnten auch feministisch bewältigt werden. Gleichstellung und Feminismus sind aber aktuell kein Thema! Die Folgen von Massnahmen werden überhaupt nicht (gesellschafts)kritisch analysiert.

Wer kümmert sich um die Kinder, wenn Schulen schliessen? Wer räumt die Regale in unnötig leer gekauften Läden ein? Wer pflegt kranke und alte Menschen? Was bedeutet es, wenn wir möglichst zuhause bleiben müssen? Welche Menschen arbeiten in Berufen, die nicht aus dem Homeoffice zu bewältigen sind?

Die Krise trifft aktuell vor allem Frauen*, queere Menschen und Menschen, die sozial schlechter gestellt sind. Das darf nicht sein!

In der Krise halten Frauen* die Gesellschaft am Laufen
Quelle: BFS/Strukturerhebung 2012-2014. SECO

Wir müssen auch Gelder für Care-Arbeit bereithalten! Wir müssen mehr Plätze in Frauenhäusern schaffen, damit Betroffene von Häuslicher Gewalt Schutz finden!
Zahlen wir doch endlich die anständig, die sich um unsere Gesundheit kümmern, die sich um unsere Kinder kümmern, unsere Eltern pflegen und Tag ein Tag aus dafür sorgen, dass das Pasta Regal voll ist.
Die Corona-Krise muss bewältigt werden. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass es uns alle betrifft. Seien wir also alle solidarisch und bewältigen die Krise gemeinsam und feministisch.

16 Tage gegen Gewalt an Frauen* – 2018: Man up – Sei ein Mann

Auch dieses Jahr durfte Aktivistin.ch im Rahmen der Veranstaltungsreihe «16 Tage gegen Gewalt an Frauen*» in der Photobastei mit verschiedenen Menschen diskutieren.

Anders als letztes Jahr fand keine Podiumsdiskussion, sondern eine Gesprächsrunde statt. Menschen, die sich intensiv mit Geschlechterrollen und im Besonderen mit Männlichkeit(en) auseinandergesetzt haben, wurden von den Aktivistinnen* eingeladen.

Es diskutierten am 7. Dezember 2018:

– Chri Hübscher, non-binär und politisch aktiv:
 http://www.nonbinary.ch/chri/

– Domenica Priore, Trans*frau, Co-Präsidentin der Lesbenorganisation Schweiz und Teil von Aktivistin.ch

– Weitere wunderbare Menschen, die ihren Weg in die Photobastei gefunden haben.

Moderiert wurde die Diskussion von Anna-Béatrice Schmalz, Sozialarbeiterin*, Teil von Aktivistin.ch. Zum Mitreden waren alle Gäst*innen eingeladen.

Eröffnet wird die Diskussion von Chri: Chri erzählt, dass Chri männlich sozialisiert wurde, jedoch nie etwas mit der männlichen Geschlechterrolle anfangen konnte. Chri unterstreicht, dass wir alle letzten Endes Menschen seien, wobei es biologische Unterschiede gebe, die jeweiligen Geschlechterrollen jedoch ein soziales Konstrukt seien. In unserer Gesellschaft sei insbesondere die Minderbewertung von Weiblichkeit sehr erschreckend.

Die Frage um das Warum für die Assoziierung von Männlichkeit mit Aggressivität steht als nächstes im Raum: Sind es, wie viele von uns im Biologie-Unterricht gelernt haben, die Hormone, die Männer* gewalttätig werden lässt? Chri kann dies aus persönlicher Erfahrung nicht bestätigen. Vielmehr sei es der Ausdruck von Aggressivität in Form von Gewalt anerzogen: Oftmals werden Männer* beim Zeigen von Schwäche und Emotionen dazu aufgefordert, sich zu wehren. Männer* müssten stark sein, es kommt zu einer positiven Ermutigung zum Ausdruck von Aggressionen in Form von Gewalt durch unsere Gesellschaft. Helene, Chemie Doktorandin* aus dem Publikum erläutert, dass in der Naturwissenschaft – wie zum Beispiel der Biologie – oftmals sogenannte „hard facts“ gefordert werden. Diese kann die Sozialwissenschaft nicht liefern. Biochemisch lassen sich Hormone allerdings im Körper nachweisen: Männer* weisen im Vergleich zu Frauen* meist mehr Testosteron in ihren Körpern auf und neigen vermehrt zu körperlicher Gewalt. Daraus wird in der Biologie geschlossen, dass Männer* aufgrund des höheren Testosteronspiegels zu physischer Gewalt neigen. Allerdings könnte es sein, dass Testosteron und Gewalt keine Kausalität aufweisen: Genauso wäre es möglich, dass die Sozialisierung von Männern* dazu führt, dass sie vermehrt zur physischen Gewalt neigen. Das Testosteron dient als scheinbar gut messbare, wissenschaftlich Erklärung für dieses Phänomen. Im weiteren Verlauf der Diskussion wird erläutert, dass in der Vergangenheit anstelle der Hormone die göttliche Ordnung zur Zementierung von Rollenbildern diente. Die Begründung für die traditionellen Rollenbilder sind also eine Art Modeerscheinung: Vielleicht ist das Hormonargument in 100 Jahren bereits passé. Auch der Blick in die Vergangenheit ist vom Patriarchat geprägt und wird als Instrument zum Unterstreichen der traditionellen Rollenbildern benutzt: Nicht alle Frauen* in der Steinzeit waren Sammlerinnen* und nicht alle Männer* waren Jäger*, gibt eine Expertin* aus dem Publikum Auskunft. Allerdings sind meist biologische Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Körpern vorhanden, etwa die Möglichkeit von manchen Frauen*, Kinder zu gebären. Dies soll uns jedoch nicht davon abhalten, traditionelle Rollenbilder zu durchbrechen. So sind wir heute bereits auf einem guten Weg: ehemals typische Männer*- bzw. Frauen*berufe werden auch von Menschen ausgeübt, die nicht den ehemals für diesen Beruf angedachten Geschlechtern zugehörig sind. Aufbrechen von Rollenbildern müssen bereits im Kindesalter stattfinden: Paula, Erzieherin* erzählt von einem Mädchen, das sich sehnlichst einen kleinen Bruder wünscht, da es dann von seinen Eltern endlich Legos zum Spielen erhält. Oder von einem Jungen, dessen Vater Angst hat, dass sein Sohn schwul wird, weil er gerne mit Puppen spielt. Ganz abgesehen davon, dass kein Mensch sich vor dem Homosexuellsein oder -werden fürchten sollte, sind es genau diese Mechanismen, die dazu führen, dass Männer* zu physischer Gewalt neigen, öfters Suizid begehen, weniger oft Teilzeit-Stellen besetzen und eine niedrigere Lebenserwartung haben als Frauen*. Frauen* dagegen seltener in MINT-Berufen arbeiten, weniger Geld verdienen, öfters von Altersarmut betroffen sind und mehr Pflegearbeit (Care Arbeit) – bezahlt oder unbezahlt – ausüben. 

Wir alle sind Vorbilder und sollten jungen, unvorbelasteten Menschen ermöglichen, ihre eigenen Präferenzen und Stärken kennenzulernen, ohne sie anhand ihres biologischen Geschlechts zu schubladisieren.

Dafür steht Feminismus: Feminismus ist für alle Menschen da, Feminismus soll Männer*, Frauen* und alle Menschen dazwischen oder jenseits dieser Grenzen ansprechen. Feminismus will Grenzen einreissen. Männer* sind genau so Teil dieser Revolution wie Frauen*. 

Feminismus ist also als Kampf für die Gleichberechtigung von Menschen zu verstehen.

Aus diesem Grund: Männer* dieser Welt vereinigt euch! Kämpft Schulter an Schulter mit Frauen* und allen Menschen für ein gleichberechtigtes, faires Leben.

Diese Botschaft tragen wir gerne aus der vergangenen Gesprächsrunde im Rahmen der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen* in unseren Herzen in die Welt hinaus.

Zu guter Letzt wurden die Teilnehmenden der Gesprächsrunde mit den eigenen, traditionellen Geschlechterrollen-Vorstellungen konfrontiert: Tallboy, ein sensationeller Dragking aus Vancouver gab eine atemberaubende Lip-Sync Showeinlage zum Besten. Er zeigte, dass Geschlecht nicht durch das Aussehen oder Verhalten definiert wird und dass Grenzen zwischen weiblich und männlich fliessend sein können. 

Und auch dieses Jahr wieder einen riesengrossen Dank an die Photobastei: http://www.photobastei.ch/

Vergabe Goldener Tampon 2018

Am 20.08.2018 wurde in den Schaffhauser Nachrichten eine Karikatur von Pascal Coffez veröffentlicht, die eine übergrosse, monstruöse Tamara Funiciello mit unbekleidetem Oberkörper zeigt. Der Anlass zur Veröffentlichung der Karikatur war Funiciellos Rede als Reaktion auf die gewalttätigen Angriffe auf Frauen* in Genf in diesem Sommer.

Die Karikatur bedient dabei sexistische Stereotypen und verletzt die Privatsphäre von T. Funiciello, in dem ihre Handynummer in der Zeitung publiziert wird.

Feministinnen* als hässliche, hysterisch schreiende Frauen* darzustellen reproduziert ein altes, abgegriffenes Stereotyp. Es stellt Aktivismus für Frauen*rechte als übertreiben und unbedeutend dar.

Zudem ist problematisch, dass die wichtige Botschaft in Funiciellos Rede gegen Gewalt an Frauen* keine Beachtung fand, obwohl dies die Kernaussage ihrer Rede darstellte. Strukturelle Gründe für Gewalt an Frauen und die Forderungen nach Frauen*rechten werden systematisch übergangen und finden keine breite Beachtung.

Heute, am 17.12.2018, gegen 17 Uhr übergab Aktivistin.ch den goldenen Tampon den Schaffhauser Nachrichten. Sie wurde vom Frauenstammtisch Schaffhausen und den Jungsozialist*innen begleitet. Dabei haben die Aktivist*innen ein Weihnachtslied zum Thema Sexismus zum Besten gegeben.

Wir fordern, dass Medien ihre Verantwortung zur fairen, ausgeglichenen Berichterstattung sowie zum Schutz der persönlichen Privatsphäre wahrnehmen und Sexismus als das darstellen, was er ist: Ein Problem unserer Gesellschaft.

Stell dir vor, es sind Wahlen und plötzlich sind alle Feminist*innen

Letzte Woche hat eine Veranstaltung stattgefunden, an der grossartige feministische Frauen* zu Wort gekommen sind – eine wundervolle Sache, wenn es nicht um das traurige Thema der Gewalt gegen Frauen* gegangen wäre. Und wenn im Gespräch nicht immer wieder durchgedrungen wäre, dass nach dem übergriffigen, gewalttätigen Verhalten gegenüber emanzipierten und selbstbestimmten Frauen* in Genf scheinen plötzlich alle Expert*innen im Gebiet “Gewalt an Frauen*” zu sein. Dass insbesondere Politiker*innen nun betonen, wie schlimm diese Gewalt an Frauen* sei, und härter bestraft werden müsse. Dies natürlich immer mit dem Hintergedanken, dass schon bald die nächsten Wahlen sind, und immerhin die Hälfte der Wahlberechtigten Frauen*. Und Gewalt ist natürlich viel weniger verfänglich als Lohngleichheit, weil die meisten Menschen Gewalt schlecht finden, vor allem, wenn sie gegen einen persönlich gerichtet ist. Mit Lohngleichheitsdiskussionen macht man tendenziell mehr Menschen wütend als mit Diskussionen, dass doch etwas gegen diese Gewalt an Frauen* gemacht werden muss. So weit, so scheinbar feministisch.

Ein prominentes Beispiel für eine scheinbare Feministin ist die Frau Rickli: Sie hat 2016 eine parlamentarische Initiative lanciert, um das Mindeststrafmass für Vergewaltigung auf 3 bzw. 5 Jahre zu erhöhen. 2011 hat sie allerdings die Istanbul-Konvention abgelehnt, welche die Schweiz und andere europäische Staaten dazu verpflichtet, Gewalt gegen Frauen* zu verhüten und zu bekämpfen.

Dieses Beispiel soll keinesfalls dazu dienen, Frau Rickli dafür zu rügen, dass sie sich für ein höheres Strafmass bei Vergewaltigung einsetzt. Ausserdem ist es unterstützenswert, dass eine junge Frau* sich aktiv und erfolgreich in der schweizerischen Politik engagiert. Allerdings macht diese Art der medienwirksamen Scheinpolitik nachdenklich. Das Problem der patriarchalen Kulturen (ja, dazu gehört auch die Schweiz) ist, dass die gesellschaftlichen Strukturen die Anzeige und Strafverfolgung von Gewalt gegen Frauen* behindern: Wenn Frauen*, die sexuelle Gewalt erfahren, sich dazu überwinden, Anzeige zu erstatten, liegt die Beweis-Schuld bei ihnen. Prominentes Beispiel, dafür ist Frau Spiess-Hegglin: Sie hat versucht, einen prominenten, mächtigen Politiker wegen Vergewaltigung zur Verantwortung zu ziehen. Allerdings gelang ihr nicht, die Unschuldsvermutung, die für jede angezeigte Person gilt, zu widerlegen. Dies ist in der Schweiz normal, so funktioniert unser Rechtsstaat. Problematisch ist abgesehen vom persönlichen Schicksal allerdings die symbolische Wirkung dieses Urteils und der Umgang der Öffentlichkeit mit Frau Spiess-Hegglin. Sie hat gewagt, sich gegen sexuelle Gewalt zu wehren. Allerdings erhielt sie von der Öffentlichkeit nur voyeuristische bis ungläubig gefärbte öffentliche Aufmerksamkeit. Denkt ihr, Menschen, die sexuelle Gewalt erleben – oft auch von Menschen aus dem näheren Umfeld ausgeführt – wagen nach einer solchen Geschichte noch, sexuelle Gewalt anzuzeigen? Genau dies sind die Strukturen, die geändert werden müssen: Dass wir nicht automatisch davon ausgehen, dass Erlebende von sexueller Gewalt nur der gewaltausführenden Person eins auswischen möchten, sondern dass wir ohne zu urteilen zuhören. Wenn ein grosser Teil von sexueller Gewalt aufgrund der Reaktion aus der Öffentlichkeit nicht zur Anzeige kommt, ist das Strafmass für Vergewaltigung nur ein nachgelagertes, zweitrangiges Problem. Wir müssen die Strukturen ändern, damit Betroffene von sexueller Gewalt sich trauen, mit dem Missbrauch an die Öffentlichkeit zu gehen. Genau hierfür brauchen wir ein lautes “ja” für die Umsetzung der Istanbul-Konvention, Frau Rickli.

Wir wollen keine symbolträchtigen politischen Schnellschüsse, die es alten, weissen Männern ermöglicht zu sagen: “Wir haben ja schon etwas gemacht gegen diese Gewalt an Frauen*!”

Wir wollen, dass alte weisse Männer zusammen mit Menschen jeden Geschlechts, Alters, sozialen Status‘ und jeder Hautfarbe die politischen Geschehen dieses Staates, dieser Erde bestimmen. Zusammen mit Jolanda Spiess-Hegglin, Nathalie Rickli, Tamara Funiciello und von mir aus auch mit Ueli Maurer wollen wir entscheiden, was der gerechteste und nachhaltigste Weg ist, ein langfristiges, gleichberechtigtes und friedliches Zusammenleben zu ermöglichen, ohne uns auf Kosten anderer Menschen zu bereichern. Vielleicht ist das eine Utopie – aber genau dafür lohnt es sich einzustehen.

Frauen im Laufgitter – auch heute noch?

Dass Frauen* ein sexuell und finanziell selbstbestimmtes Leben führen, war in den 1950er Jahren noch eine ungehörige Forderung, während es heute für viele von uns Realität ist. Vor 60 Jahren schrieb Iris von Roten ihr der Zeit vorauseilendes Manifest “Frauen im Laufgitter». Obwohl sich im Bereich Gleichstellung sehr viel bewegt hat, sind viele ihrer Forderungen auch heute noch revolutionär und ihre Analysen noch ähnlich zutreffend.

Die Feministin Iris von Roten würde heute, am 2. April 2018, ihren 101. Geburtstag feiern. Ausserdem veröffentlichte sie vor 60 Jahren, 1958, Ihre messerscharfe Analyse «Frauen im Laufgitter». Ihre Forderungen (etwa Mutterschaftsversicherungen, Krippen und eine befreite weibliche Sexualität) und ihr Lebensstil (etwa alleine Autostoppen) waren so radikal, dass sie für das Scheitern des Wahlrecht-Referendums mitverantwortlich gemacht wurde. Um ihr Leben und Werk zu feiern, lesen heute Aktivist*innen am Zürichsee ihre und andere aktuelle feministische Texte vor.

Heute ist Feminismus und der Umgang mit Frauen* am Arbeitsplatz, im Privatleben und in der Öffentlichkeit (Stichwort: #Metoo) wieder in aller Munde. Viele der heutigen Probleme und Forderungen wurden aber bereits von Feminist*innen früherer Generationen analysiert und vorweggenommen. Wir wollen mit dieser Aktion auch daran erinnern, dass wir auf deren Errungenschaften aufbauen können und nicht wieder von Null anfangen müssen.