#16TageGegenGewaltAnFrauen
An dich, die Gewalt ausgesetzt ist
Text: Susanne
Täglich,
mitten in unserer Gesellschaft findet Gewalt gegen Frau*en statt. Es
ist kein Randphänomen. Jede*r kennt Frau*en, die physische, psychische
und/oder sexuelle Gewalt erlebt haben. Viele schweigen und reden nie
über das Erlebte. Jede fünfte Frau* in der Schweiz sieht sich im Laufe
ihres Lebens körperlicher, psychischer und/oder sexueller Gewalt
ausgesetzt. Die Täter sind überwiegend männlich. Jede Woche werden im
Schnitt 10 Vergewaltigungen bei der Polizei gemeldet. Die Dunkelziffer
wird noch um ein Vielfaches höher geschätzt.
Angst und
Schamgefühl, aber auch die Tatsache, dass nur in den seltensten Fällen
ein Gerichtsverfahren zu einer Verurteilung des Täters führt, haben zur
Folge, dass die meisten sexuell motivierten Vergehen nicht aktenkundig
werden. In drei Viertel der Fälle kannten die Frauen den Täter vor dem
Übergriff. Häufig handelt es sich dabei um den eigenen Partner.
Häusliche
Gewalt ist in unserer Gesellschaft ein Tabu. Erst seit 2004 (!) wird
Vergewaltigung in der Ehe als Offizialdelikt von Amtes wegen verfolgt.
Niemand spricht über physische, psychische und sexuelle Gewalt. Sie
findet häufig im Verborgenen statt. Berichterstattungen über
Gerichtsprozesse, die sexuelle Gewalt behandeln sind oftmals sexistisch
und verharmlosen die Tat. Nicht selten wird den Frauen dabei die
Glaubwürdigkeit abgesprochen. Viele Frauen wissen nicht an wen sie sich
wenden können, wenn ihnen Gewalt angetan wurde. Straftatbestand und
Rechtsgrundlage für die Betroffenen sind nur selten ausreichend erklärt.
An dich, der Gewalt angetan wurde
– Du
hast sexuelle, psychische und/oder physische Gewalt als massiven
Übergriff auf Deinen Körper und Deine persönliche Integrität erlebt.
Scham und Schuldgefühle sind eine normale Reaktion auf das Erlebte. Dich trifft keine Schuld! Gewalt kann jede Frau treffen und wird nicht durch Dein Verhalten oder Deine Kleidung ausgelöst!
– Dein Partner ist übergriffig und gewalttätig? Verlass den Partner! Egal
wie sehr er Dir beteuert, dass es nicht mehr vorkommt, es kann
jederzeit wieder passieren! Es ist Dein Recht, den gewalttätigen Partner
nach einem Übergriff für 14 Tage aus der gemeinsamen Wohnung wegweisen
zu lassen. Suche Schutz in einem Frauenhaus, wenn Deine persönliche Sicherheit nicht anders gewährleistet werden kann.
– Informiere Deine Vertrauenspersonen! Es
ist wichtig, dass Du Vertrauenspersonen über die erlittene Gewalt
informierst. Unterstützung aus Deinem Umfeld wird Dir helfen das
Geschehene zu verarbeiten.
– Nach dem Übergriff: Gehe so schnell wie möglich ins Spital! Am besten innerhalb von 72 Stunden.
Auch wenn es Dir schwer fällt, nach erlittener sexueller Gewalt
solltest Du möglichst nicht duschen oder baden, damit die Spuren des
Übergriffs gesichert werden können.
– Hole Dir Hilfe! Wende Dich an eine Opferberatungsstelle.
Dort kann man Dir helfen und Dich über Deine Rechte aufklären! Dort
erhältst Du auch psychologische Unterstützung und wirst über Deine
rechtlichen Möglichkeiten aufgeklärt. Sie unterstützen Dich, wenn Du
Anzeige erstatten möchtest.
– Schreibe den Tathergang der Übergriffe auf!
In Gerichtsverfahren ist es wichtig, dass Du möglichst genaue Angaben
machen kannst. Bei Delikten wie Stalking, für die keine eigene Strafnorm
besteht, ist es von äusserster Wichtigkeit, dass Du jeden Übergriff auf
Deine persönliche Freiheit und Integrität im Detail aufschreibst.
Drohungen durch Kurzmitteilungen und per Telefon musst Du am besten
aufzeichnen und abspeichern.
– Im Strafverfahren:
Entscheidest Du Dich für eine Anzeige, kannst Du den Übergriff auf
jeder Polizeistelle melden. Die meisten Sexual- und Gewaltdelikte sind
Offizialdelikte und werden von Amtes wegen vom Staat verfolgt. Dir stehen im Strafverfahren besondere Rechte zu!
Du kannst entweder als Privatklägerin, oder als Zeugin im
Strafverfahren teilnehmen. Die Opferberatungsstellen können Dir Deine
rechtlichen Möglichkeiten genau erklären.
Schutzrechte und Rechte im Strafverfahren:
– Du kannst verlangen, dass Deine Identität ausserhalb des öffentlichen Gerichtsverfahrens geschützt wird.
– Bei Straftaten gegen die sexuelle Integrität kannst Du verlangen, dass Du durch eine Person des gleichen Geschlechts befragt wirst. Wenn Du eine Übersetzung brauchst, hast Du das Recht, dass diese durch eine Person des gleichen Geschlechts erfolgt.
– Du darfst während des ganzen Verfahrens von einer Vertrauensperson begleitet werden.
– Aussagen zu Fragen der Intimsphäre (insbesondere zum Sexualverhalten) dürfen verweigert werden.
– Du darfst verlangen, dass jede Begegnung mit dem Täter vermieden wird, wenn nicht zwingend notwendig für das Verfahren.
– Du kannst verlangen, dass die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausgeschlossen wird.
– Du
hast das Recht, über die Anordnung und Aufhebung der Untersuchungs-
oder der Sicherheitshaft sowie über eine Flucht des Täters informiert zu werden.
– Bei Straftaten gegen die sexuelle Integrität darfst Du mittels Antrag verlangen, dass dem Gericht wenigstens eine Person gleichen Geschlechts angehört.
Ein
Strafverfahren ist eine äusserst belastende Situation. Die Erinnerung
an die Tat wird aufgefrischt und die Emotionen können wieder
hervorbrechen. Es ist daher sehr wichtig, dass Du Dir Unterstützung
holst und das nicht alleine durchleben musst. Ohnmacht,
Angstgefühle, Verlust von Vertrauen und Schuldgefühle sind normale
Reaktionen auf den massiven Übergriff auf Dich und Deinen Körper. Nimm
Dir die Zeit und Unterstützung die Du brauchst um das Erlebte zu
verarbeiten.
Jede*r kennt Frauen*, denen Gewalt angetan wurde. Zu
oft wissen wir es nicht. Es ist unsere Verantwortung als
Gesamtgesellschaft, den Frauen zuzuhören, zu glauben und Unterstützung
zu bieten.
Das Tabu und das Schweigen gegenüber sexueller, psychischer und physischer Gewalt muss durchbrochen werden!
16 Tage gegen Gewalt an Frauen
Vom
25. November bis am 10. Dezember 2016 findet die Veranstaltungsreihe
«16 Tage gegen Gewalt an Frauen statt». Mehr Informationen dazu sowie
das ganze Veranstaltungsprogramm unter www.16tage.ch