Text: Melanie Kollbrunner
So schwierig ist das alles nicht. Es gibt Kinderfreuden irgendwo dazwischen. Zwischen kleinen Kämpfern mit Knarre, die dem Fussboden entlang robben und Militär machen, wenn man sie aufzieht. Und Barbiepuppen mit ewig langen Haaren und Beinen. Oh, und kleinen Näschen und Brüstchen, die hübsch und keck nach oben stehen. Das jedenfalls hab ich mir zu Recht gelegt, als ich schwanger war. Mein Kind soll in einem Umfeld aufwachsen, das für gleiche Möglichkeiten steht. Habe es laut gesagt mit leiser Angst, über alte Fallen zu stolpern.
Die ersten grauen Töne zwischen Schlammfarben und Neonpink schimmerten tatsächlich schon durch, noch bevor mein kleiner Junge da war. Das erste Geschenk: Hosenträger. Das zweite: Ein Ball. Eine mitschwangere Bekannte bekam ein hübsches zartrosa Kleidchen, weil man für Mädchen eben überall diese schönen Sachen sieht. Und Haarspangen. Nun ja, was spricht denn gegen Hosenträger? Die sind sehr Dandy. Cool. Und was spricht gegen einen Ball? Mein eigenes Unvermögen, ihn zu werfen oder zu fangen, vielleicht. Und was spricht gegen ein hübsches Kleid, ausser vielleicht, dass betreffende Frau selbst rosa nicht mag? Locker bleiben und Danke sagen.
Das fängt harmlos an, möchte man meinen. Weil die als ganz kleine Menschlein nur einen Nuggi wollen und Strampelanzüge, ein Kuscheltier. Dann aber stellt sich noch im Spital heraus, dass Nuggis entweder mit Feuerwehrautos oder Blümchen verziert sind und Pischis wie Schnufis hellblau oder rosa sind und bedruckt mit Dingen wie „Daddys little Superpilot“. Nur Letzteres stört mich nachhaltig.
Übrigens bekommt man zur Geburt des ersten Kindes überraschend viel geschenkt, was zauberschön ist. Man bekommt als Bubeneltern viele hellblaue Dinge und viele Eisenbahnen und Bälle. Man freut sich sehr. Man bekommt auch andere Dinge. Eine Sonne zum Greifen, wenn man Glück hat. Selbst gehäkelt sogar. Ein Krokodil für den Kinderwagen. Eine Puppe in Form eines Stadtfuchses, weil man selbst einer ist. Ein Notizbuch für alles Wesentliche, das zwar weitgehend leer bleibt vor lauter Ehrfurcht aber stolz behütet, weil da ein echtes Kleeblatt mit vier Blättern drinsteckt. Einen Liederband, damit man mitsingen kann, während man sich an die eigene Kindheit erinnert, an das, was in Erinnerung bleibt.
Mit den Cousins von Bäumen herunterfallen. Im Kindergarten von der gemeinsamen Lieblingspuppe getröstet werden (nichts und niemand kam je an meine tiefschwarze Puppe namens „Chabis“ heran, die daheim bleiben musste). Ein Restaurant eröffnen in Gedanken und auf dem Tennisplatz der Wirtin helfen.
Besser war vor dreissig Jahren in Fragen der Gleichberechtigung trotzdem nichts. Schon gar nicht in Kinderzimmern. Ich wurde sonntags in rosa Röcklein gesteckt und in weisse Strumpfhosen. Die Jungs durften Schrammen heimbringen, mir sagte man, dass die Narben an den Knien bleiben würden. Daran erinnern mich heute Aufschriften, die sagen: „Ich bin Papis kleiner Superpilot.“ Wo steht: „Ich bin Mamis kleine Superpilotin“? Wo steht: „Ich bin Papis kleiner Superflorist“? Würde ich übrigens auch nicht kaufen, den Kram, wenn es ihn dann gäbe. Weil mein Kind nicht Werbefläche für meine Botschaften ist.
Ich habe nichts gegen Rüschenkragen oder Hemdchen, sie sehen schön aus. Ich glaube, wir müssen an einem anderen Ort ansetzen. Wir müssen eben vorleben, dass es Frauen gibt, die Politik und Babybrei machen und dass es Männer gibt, die Politik und Babybrei machen. Und ja: Leider noch immer. Dass es Frauen gibt, die Fussball mögen und Floristinnen sind und Männer, die im Blumenladen ihr Geld verdienen und auf dem Fussballfeld ihre Freizeit verbringen. Dass freie Wahl eine grosse Sache ist, für die man einstehen soll. Auch, wenn der Turnlehrer meint, tanzen sei für Mädchen. Oder wenn die Musiklehrerin sagt, Trompete sei doch eher für Jungs.
Der kleine Lieblingsmensch steht übrigens auf Autos. Vielleicht, weil es in unserem Haushalt keins gibt. Vielleicht auch, weil grosse Menschen Autos fahren und sie rollen und bunt und überall sind. Was weiss ich. Er mag auch seine Puppen, glaube ich, er setzt sie jedenfalls manchmal auf den geliebten Bobbycar.
Ich versuche mich daran zu halten: Es gibt bunte Grautöne zwischen Tarnfarben und Glitzerpink. Weil Tarnfarben und Glitzerpink für mich nicht in Frage kommen, und weil alles dazwischen stattfinden soll. Bälle und Bagger, Kleiderkisten und Krämerladen. Und ich glaube: Wir brauchen Quotenpuppen in jedem Spielzimmer, vorerst, für ein Umfeld, das für gleiche Möglichkeiten steht. Ich sage es laut und fürchte mich leise vor alten Fallen. Ich glaube aber, wir müssen es lauter denn je sagen, die Angst vor alten Fallen mehr denn je übertönen. Wir wollen zartblaue Superheldinnen und Lohngleichheit und eine Welt ohne Sexismus für unsere Kinder.