The Handmaid’s Tale in Zürich

Abtreibungsgegner aus Zürich vertrieben

Der «Marsch fürs Läbe» erhielt heuer erstmals keine Bewilligung mehr und die Zürcher Ersatzveranstaltung «Bäte fürs Läbe» vom 17. September 2017 wurde abgesagt. Das feministische Kollektiv aktivistin.ch macht mit einer Aktion auf die Wichtigkeit dieser Entwicklung aufmerksam.

«Mein Körper gehört mir» gilt für Frauen in der Schweiz erst seit 15 Jahren. Mit der am 1. Oktober 2002 in Kraft getretenen Fristenregelung liegt der Entscheid über einen Abbruch in den ersten zwölf Wochen einer Schwangerschaft bei der Frau. Sie kann ein schriftliches Gesuch zuhanden eines Arztes stellen mit der Begründung, dass sie sich in einer Notlage befinde.

Das Recht auf Abtreibung scheint in der Schweiz heute selbstverständlich. Wir wollen mit unserer Aktion ein Bewusstsein dafür schaffen, dass politische und gesellschaftliche Errungenschaften verteidigt werden müssen – weil sie auch wieder rückgängig gemacht werden können.

Treffend geschildert hat dies Margaret Atwood mit ihrem dystopischen Roman «The Handmaid’s Tale». Die Autorin schildert ein christlich-fundamental regiertes Amerika der nahen Zukunft, in dem viele Frauen aufgrund nuklearer Katastrophen unfruchtbar geworden sind. Die Machthaber leisten sich eine Magd («Handmaid») – also eine der wenigen noch fruchtbaren Frauen – zu Fortpflanzungszwecken. Rechte haben die Frauen keine mehr; sie verbringen die Tage in roten Umhängen und weissen Hauben, die ihnen die Sicht auf die Aussenwelt versperren.

In den USA erlebte das Buch nach der Wahl Donald Trumps einen Boom. Vieles, das als Fiktion geschrieben wurde, schien plötzlich gar nicht mehr so unmöglich. Unter der neuen Regierung wurden bereits Gelder für Schwangerschaftsberatungen gestrichen; in Ohio sollen künftig auch Vergewaltiger über einen möglichen Abbruch mitentscheiden können. In Polen verhinderten 2016 derweil erst die Proteste von Zehntausenden ein noch restriktiveres Abtreibungsgesetz.

Auch hier bleibt das Recht auf Abtreibungen umstritten: 2010 lancierte der Verein Mamma die Volksinitiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache», die die Kosten aus der obligatorischen Grundversorgung streichen wollte. Zudem mobilisiert der «Marsch fürs Läbe» seit Jahren jeden Herbst tausende Abtreibungsgegner.

Wir von aktivistin.ch sehen den «Marsch fürs Läbe» nicht als Meinungsäusserung an, sondern als Bedrohung für eine aufgeklärte Gesellschaft und die Integrität von Frauen. Fundamentale Christen, die mit dem Gebot «du sollst nicht töten» argumentieren, vergessen, wie viele Leben im Namen des Glaubens schon genommen wurden. Und sie setzen das Wohl eines ungeborenen Kindes über das Wohl der Mutter: Früher stocherten verzweifelte Frauen so lange mit einer Stricknadel in ihrer Gebärmutter herum, bis die Fruchtblase platzte. Oft starben sie an den Verletzungen. Andere liessen sich von Dritten in den Bauch treten, um einen Frühabort herbeizuführen. Zahlreiche Leben wurden aufgrund ungewollter Schwangerschaften und illegaler Abtreibungen zerstört. Aktivistin.ch begrüsst darum den Entscheid, dass der «Marsch fürs Läbe» dieses Jahr keine Bewilligung für einen Auftritt auf öffentlichem Grund erhielt. Weil Fundamentalismus dort keinen Platz hat.

In der Schweiz entscheiden sich jährlich rund 10 000 Frauen für eine Abtreibung – die Zahl ist seit zehn Jahren konstant. Eine aktuelle Studie der University of California besagt, dass von 667 befragten Frauen nur fünf Prozent angaben, ihren Entscheid bereut zu haben. Die Befragung fand drei Jahre nach der Abtreibung statt.